GERD H. HÖVELMANN & FRIEDERIKE SCHRIEVER1
Zeitschrift für Anomalistik 4 (2004): 6-13
Robert L. Morris, Koestler-Professor für Parapsychologie an der Universität Edinburgh, ist, gerade 62 Jahre alt, am 12. August dieses Jahres infolge einer nächtlichen Herzattacke gestorben. Noch wenige Tage vor seinem Tod hatten seine Kollegen ihn ganz unbeschwert, diskussionsfreudig, voller Pläne und offenbar besonders guter Dinge während der Jahrestagung der Parapsychological Association an der Universität Wien erlebt. Die Parapsychologie verliert mit Bob Morris ihren zweifelsohne einflussreichsten akademischen Repräsentanten während der vergangenen zwanzig Jahre. Und weit mehr als das. Der Umstand, dass die Fahnen auf sämtlichen über die Stadt verteilten Gebäuden der Universität Edinburgh am Tage der Trauerfeier für Robert Morris, dem 19. August, auf halbmast geflaggt waren, bezeugt, dass auch die britische Wissenschaft sich des Verlustes eines ihrer besonders prominenten Vertreter bewusst ist.
Robert Lyle Morris wurde am 9. Juli 1942 in Canonsburg, Pennsylvania, geboren. Schon auf der Highschool an solchen Aspekten menschlicher Erfahrung interessiert, mit denen die Wissenschaften sich traditionell eher schwer zu tun pflegen (Berger 1988, p. 314), studierte er Psychologie und Zoologie. Im Jahre 1963 erhielt er einen BSc in Psychologie an der University of Pittsburgh und promovierte 1969 an der Duke University in Durham, N.C., in Psychologie mit einem Thema aus der Vergleichenden Psychologie über das Sozialverhalten von Vögeln. Ebenfalls in Durham, am traditionsreichen Rhine Research Center, führte er auch seine ersten parapsychologischen Forschungsarbeiten durch (siehe u.a. Morris 1970; 1977). Danach war er für jeweils etwa zwei Jahre am Center for the Study of Aging and Human Development der Duke University und in William Roll's Psychical Research Foundation in Durham tätig. Von 1974 bis 1980 unterrichtete er Psychologie und Parapsychologie zunächst an der University of California in Santa Barbara, dann (ab 1978) an der School of Social Sciences der University of California in Irvine, bevor er – an Kommunikationsproblemen (Morris 1974a) und Anwendungsfragen (Morris 1984) im Rahmen der Parapsychologie von jeher besonders interessiert (Morris 1975a) – einen Ruf als Senior Research Scientist im Communication Studies Laboratory der School of Computer and Information Science der Syracuse University, New York, annahm. In den Jahren 1974 und 1985 war Morris Präsident der Parapsychological Association. Seit Herbst 1985 bis zu seinem unbegreiflichen frühen Tod war er der erste Inhaber des Koestler-Lehrstuhls für Parapsychologie, der an der School of Philosophy, Psychology and Language Sciences der Universität Edinburgh in Schottland institutionell verankert ist.
Beide Autoren kannten Bob Morris seit langem und waren mit ihm befreundet, G.H.H. schon seit den späten siebziger Jahren, F.S. seit der Jahrestagung der Parapsychological Association, die Morris 1987 an der Universität Edinburgh ausrichtete. Bob hatte uns beiden unabhängig voneinander angeboten, für längere Zeit nach Edinburgh zu kommen, um unsere wissenschaftlichen Arbeiten dort fortzusetzen. In beiden Fällen ließ sich dies aus privaten Gründen dann doch jeweils nicht realisieren. Schon vor Bobs Übernahme der Koestler-Professur, und zumal danach, hat es jedoch immer wieder neue Ansätze und Gelegenheiten zu Diskussion und Zusammenarbeit verschiedenster Art gegeben. So hatten im Mai 1984 der Präsident der Universität Marburg und Prof. John Prucha, der Vize-Kanzler der Syracuse University, ein Abkommen unterzeichnet, das den Austausch von Wissenschaftlern und Studenten beider Universitäten vorsah. Nur einen Monat später schlug Bob einen Forschungsaufenthalt von G.H.H., seinerzeit wissenschaftlicher Mitarbeit an der Universität Marburg, in seinem Labor an der Syracuse University vor. Mit Prof. Prucha habe er das schon besprochen: "Vice Chancellor Prucha knows well of our laboratory's existence and is supportive of solid research that blends the sciences and humanities" (Brief Morris an Hövelmann, 27. Juni 1984). Pläne für einen mehrmonatigen Aufenthalt wurden entsprechend für das folgende Jahr geschmiedet. Sie scheiterten letztlich nur an Bobs Berufung auf den Koestler-Lehrstuhl im Frühjahr 1985.
Bei Tagungen der Parapsychological Association und der Parapsychology Foundation sowie während Bobs recht häufigen Aufenthalten in Deutschland nach 1985 (u.a. in Freiburg und Berlin) gab es zusätzlich zu den brieflichen immer wieder auch enge persönliche Kontakte. Die ersten drei Tagungen der sog. EURO-PA, der europäischen Mitglieder der Parapsychological Association, in Vught (NL) 1988 und 1989 sowie bei Paris 1990 haben Bob und G.H.H. in Zusammenarbeit mit Hans Michels (Eindhoven) und in letzterem Fall mit Mario Varvoglis (Paris) organisiert.
Eine stille Revolution...
Was Parapsychologen inzwischen gerne als "silent revolution" oder, griffiger, als "Morris Miracle" zu bezeichnen pflegen, nahm seinen Ausgang am 2. März 1983. An diesem Tag setzte der bekannte deutschstämmige Schriftsteller Arthur Koestler, unheilbar krank, seinem Leben ein Ende. Seit langem intensiv an der wissenschaftlichen parapsychologischen Forschung interessiert (vgl. z.B. Koestler 1973), hatte er testamentarisch einen Betrag von 500.000 britischen Pfund zuzüglich der Tantiemen aus künftigen Verkäufen seiner Bücher für diejenige britische Universität bestimmt, die einen Lehrstuhl für Parapsychologie einzurichten bereit sei. Bis dahin war die Parapsychologie an den Universitäten des Vereinigten Königreichs (wie auch anderenorts) nur sehr sporadisch und unregelmäßig vertreten. Einzig an der Universität Edinburgh hatte die Parapsychologie dank jahrzehntelanger Bemühungen des Psychologen John Beloff eine gewisse Tradition, und es hatte dort auch bereits mehrere Promotionen mit parapsychologischen Themen gegeben, u.a. durch den Briten Adrian Parker und die beiden Amerikaner Richard Broughton und Deborah Delanoy. Nicht zuletzt dem politischen Geschick John Beloffs, den Koestler zum "Executor" dieses Vermächtnisses bestimmt hatte, und einer freundlichen Intervention von Prince Charles ist es zu danken, dass die Universität Edinburgh den Zuschlag erhielt. Nicht weniger als 32 Wissenschaftler unterschiedlicher Qualifikation bewarben sich um die erste Koestler-Professur für Parapsychologie. Die Wahl der Universität fiel auf Robert Morris.
Schon einige Wochen vor Antritt seiner Koestler-Professur hat Morris in einem Beitrag mit dem Titel "What I shall do with the Koestler Chair" im britischen Wissenschaftsmagazin New Scientist vom 5. September 1985 (Morris 1985) seine Pläne für die Aufgaben des neuen Lehrstuhls skizziert. Zunächst versucht er dort, seiner Leserschaft – dem britischen Wissenschafts-Establishment, das seiner Übernahme des begreiflicherweise nicht unumstrittenen neuen Lehrstuhls eher argwöhnisch harrt – sowohl den Gegenstandsbereich der Parapsychologie als auch den Forschungsbedarf, wie er sich ihm darstellt, kurz zu erläutern:
"Parapsychology, from my perspective, is the study of apparent new means of interaction between organisms and their environments. Claims that such new means exist generally arise from circumstances in which there appears to be a correspondence between events inside an organism and events external to it; such correspondences appear to be anomalous, that is, not amenable to interpretation within the existing knowledge base of science. Parapsychology thus becomes the study of anomalous influence (or communication, as some prefer) between organism and environment. As such, parapsychology emerges as an interdisciplinary problem area, not a belief system … [T]he Parapsychological Association includes members who advocate with varying intensity positions of scepticism, belief in a set of new physical principles, belief in a set of non-physical principles, or complete uncertainty. Personally, I am an agnostic, somewhat biased towards the position that new principles of nature appear to be at work here." (Morris 1985, p. 59; Hervorhebung von uns)
Dies sind nur sechs Sätze, aber schon sie leisten angesichts des angesprochenen Publikums Beachtliches: Sie definieren in unprätentiösen, klaren Worten, die jedem wissenschaftlich Gebildeten eingängig sind, den Gegenstandsbereich der Parapsychologie und erläutern zugleich eine Problemstellung, die interdisziplinärer Forschungsbemühung bedarf. Morris skizziert zudem die Tradition, in der er steht, und den Diskussionsstand innerhalb der Parapsychological Association, deren Präsident er in jenem Jahr ist. Dass "skepticism" als eine der Haltungen, die innerhalb einer seriös verstandenen Parapsychologie legitim beheimatet sind, als erstes Erwähnung findet, ist ebenso wenig zufällig, wie der Umstand, dass Morris sich selbst – zweifellos zutreffend – als "agnostic" bezeichnet, der deswegen aber nicht auf eigene Forschungsvermutungen zu verzichten braucht. Nichts ist hier zu finden von dem Odium des Obskuren, das so oft die Diskussionen der sach- und literaturunkundigen wissenschaftlichen Welt bestimmt und das viele der wissenschaftlichen Leser dieses Textes von einem neuen Professor für Parapsychologie erwartet bis befürchtet haben werden. Und Morris schickt sich sogleich an, systematische forschungspraktische Perspektiven zu entwickeln. Dabei ist seine Botschaft weitaus "normalwissenschaftlicher" als die meisten seiner Leser haben kommen sehen:
"To evaluate the likelihood that new means of influence exist, we must make sure we thoroughly understand the old means. This includes understanding the concepts and techniques of the plethora of strategies for simulating (faking) influence used by practicing mentalists, conjurors and the like. Information about how we can be deceived by others, as well as deceive ourselves, needs to be collected, organized and disseminated far more effectively than in the past, and I expect to contribute extensively to this aspect." (ibid.; Hervorhebung von uns).
All jenen, die das schlagzeilenträchtige Verfahren der Vergabe des Koestler-Nachlasses und der Besetzung des Lehrstuhls bislang eher argwöhnisch und misstrauisch bis missgünstig verfolgt haben, gibt er – mitnichten defensiv gestimmt – zu verstehen:
"In recent years, we have had many public pronouncements by a variety of advocates and counter-advocates, and it is evident that we can now start to build a good picture of the characteristics of 'pseudocriticism' as well as of 'pseudoscience'. Part of the problem is that very few people, advocates and critics alike, have troubled to familiarize themselves with the literature of parapsychology.
… When the University of Edinburgh accepted the Koestler bequest, it basically declared that, if well done, parapsychological research would contribute actively and positively to the university's endeavours to generate and disseminate new knowledge. So long as we incorporate a full understanding of 'what's not psychic but looks like it' into our research, and so long as we use the tools of science to solve the problems posed by parapsychological claims rather than to impose a set of beliefs upon the data, we should be able to justify the university's decision without difficulty." (ibid.)
Dieser knappe, nur eine Druckseite umfassende Text im New Scientist hat in der britischen Universitäts-Szene trotz seiner Kürze mutmaßlich große Beachtung gefunden. Er enthält nichts, was den verbreiteten Befürchtungen der britischen Wissenschaftswelt angesichts eines avisierten Professors für Parapsychologie Nahrung oder auch nur eine Handhabe hätte geben können. Es ist ein Dokument, dass Bob Morris's wissenschaftspolitisches Geschick (wenn auch vermutlich erst im Rückblick) besonders deutlich macht. Ein Geschick, das er während der gesamten Zeit, in der er die Koestler Parapsychology Unit an der Universität Edinburgh leitete, immer wieder unter Beweis stellen sollte. Denn ankündigen, versprechen, in Aussicht stellen kann man Beliebiges – gemessen aber wird man letztlich doch an der praktischen Umsetzung, an der alltäglichen universitären Lehr- und Forschungspraxis. Die Ernennung von Bob Morris zum ersten Inhaber der Koestler-Professur für Parapsychologie sollte sich in jeder Hinsicht als Glücksgriff erweisen – für die Universität, für die britische Psychologie, für die gesamte Universitätskultur auf der britischen Insel und nicht zuletzt für die Parapsychologie.
Bob Morris hat seit 1985 viel mehr als nur eingehalten, was er in diesem kurzen Text für den New Scientist ja einstweilen nur vage ankündigt. Während der fast zwei Jahrzehnte, die inzwischen vergangen sind, hat er die formulierten Forschungsziele bei weitem übererfüllt und selbst wohlmeinende Prognosen übertroffen. Methodologisch umsichtig (vgl. Morris 1975b; 1978; 2001a; Schmidt, Morris and Rudolph 1986), wissenschaftsphilosophisch klarsichtig (Morris 1987; 2001b) und soziologisch weitsichtig (Morris 1989; 2000) hat er sich der selbstgesetzten Aufgaben und gesteckten Ziele angenommen und dabei nicht zuletzt auch eingehend über die Rolle und die Verantwortung des akademischen Lehrers in einem schwierigen Gebiet wie der Parapsychologie (Morris 1999b) und das komplizierte Verhältnis seines Faches zu den anderen Disziplinen nachgedacht (Morris 1987; 1989; 2002).
Den im New Scientist angesprochenen Fragen der Sicherung gegen Fremd- und Selbstbetrug (Morris 1986a; Wiseman and Morris 1995a) hat er sich mit seinen Schülern und Mitarbeitern ebenso intensiv gewidmet, wie der Etablierung von Evidenzkriterien (Morris 1986b) und den Fragen der "Interaktion" zwischen Mensch und Maschine (Morris 1984; 1986c; 1999a), mit denen er sich schon früh in seiner Karriere besonders befasst hatte. Mit Ko-Autoren sind in seiner Zeit als Inhaber des Koestler-Lehrstuhls zudem zwei Bücher entstanden (Edge et al. 1986; Wiseman and Morris 1995b), die beide Lehrbuch-Charakter haben. Liebenswürdig im Ton, aber kompromisslos in der Sache wusste er sich auch stets mit den selbsternannten externen Kritikern der Parapsychologie auseinanderzusetzen (etwa Morris 1980; 1982).
Über Bob's einzigartige Qualitäten als Lehrer und Mentor vermögen seine zahlreichen ehemaligen Schüler und Doktoranten beredt Auskunft zu geben. Niemand war wie er in der Lage, die strengsten methodologischen Forderungen mit der sanftesten denkbaren Stimme und dem freundlichsten Gestus vorzutragen – und das Ganze dann auch noch mit hintersinnigen Wortspielen zu würzen. Überhaupt zählten intelligenter Humor und ein außerordentlicher Wortwitz, der selbst in komplizierten Angelegenheiten immer wieder in Gestalt subtiler Wortspiele zum Ausdruck kam, zu den herausragendsten Eigenschaften seines Charakters. Diese ungewöhnliche Kommunikationskompetenz, gepaart mit der Fähigkeit, sehr genau zuzuhören und selbst präzise zu formulieren, sicherte ihm stets die Aufmerksamkeit seines Gegenübers. Die Konsequenzen dieses engagierten, selbstsicheren Einsatzes gewissermaßen vom akademischen Nullpunkt aus, die fassbaren Folgen von Bob Morris' wissenschaftlicher Kompetenz, intellektueller Befähigung und besonderer charakterlichen Eignung sind inzwischen sprichwörtlich:
Bei seinem Tode zählte Bob Morris nicht nur zu den bekanntesten, sondern sicherlich auch zu den anerkanntesten Wissenschaftlern Großbritanniens. Dass die Parapsychologie in der britischen Wissenschaftswelt und an den Universitäten – anders als überall sonst in der Welt – heute eine mindestens akzeptierte, mehr oder weniger angesehene Disziplin ist, ist fast ausschließlich sein persönliches Verdienst. Die Koestler Parapsychology Unit ist die aktivste und in mancherlei Hinsicht fruchtbarste parapsychologische Forschungsinstitution der Welt. Bob Morris hat 18 erfolgreiche Promotionen und mehr als 100 weitere universitäre Abschlussarbeiten mit parapsychologischen Themen betreut (sieben oder acht weitere Promotionen waren bei seinem Tod noch nicht abgeschlossen), und er war externer Gutachter für etliche weitere Promotionen sowohl zu para- als auch zu normal-psychologischen Forschungsfragen. Bis auf ganz wenige Ausnahmen haben alle seine Doktoranten und früheren Mitarbeiter selbst universitäre Karrieren eingeschlagen und bilden nun ihrerseits wissenschaftlichen Nachwuchs aus. Das hat zur Folge, dass die Parapsychologie heute an nicht weniger als zehn britischen Universitäten akademisch integriert und in Forschung und Lehre vertreten ist.
Kein wissenschaftlicher Parapsychologe vor Bob Morris hat ein vergleichbares akademisches Renomee genossen. Nichts könnte seinen Status besser vor Augen führen als der Umstand, dass er von seinen Kollegen in der "Normalpsychologie" zum Präsidenten der Sektion Psychologie der British Association for the Advancement of Science gewählt wurde. Unter einer Reihe von Auszeichnungen, die er im Laufe der Jahre erhalten hat, kommt sicherlich dem Myers Award der British Psychological Society besonderes Gewicht zu. Mehr noch: Anders als in allen anderen Ländern, ist es in Großbritannien inzwischen nicht mehr ungewöhnlich, Publikationen zu parapsychologischen Forschungsthemen in renommierten wissenschaftlichen Fachorganen vorzufinden. Der Gemeinschaftsbeitrag des Cornell-Psychologen Deryl Bem mit Chuck Honorton (seinerzeit Mitarbeiter am Koestler-Lehrstuhl) im altehrwürdigen Psychological Bulletin (Bem and Honorton 1994) hat das Eis gebrochen. Seither sind – wissenschaftspolitisch ganz erheblich – zwar nicht regelmäßig, aber doch beachtlich häufig von Parapsychologen verfasste Publikationen zu den Gegenständen und Problemen ihres Faches in angesehenen wissenschaftlichen Zeitschriften Großbritanniens wie dem Psychological Bulletin, dem British Journal of Psychology und vergleichbaren Organen zu finden, auch im laufenden Jahr (Schmidt et al. 2004). Auch dieses Verdienst ist indirekt Bob Morris zuzurechnen.
... und ihr Ende?
Vermutlich war es ein Glücksfall, dass wir, wie viele seiner anderen Kollegen aus aller Welt, Bob Morris wenige Tage vor seinem Tod noch während der jährlichen Tagung der Parapsychological Association an der Universität Wien sehen und sprechen konnten. Und wir waren – gewissermaßen ohne es zu wissen – privilegiert, hatten wir doch wieder einmal Gelegenheit, zwei Abende lang für einige Stunden fast allein mit ihm zusammen zu sitzen, Vergangenes, Aktuelles und vermeintlich Künftiges, Wissenschaftliches und Privates, mit ihm zu diskutieren und gemeinsame Pläne zu schmieden. Ein Besuch bei ihm und seiner Familie in Edinburgh war verabredet. Er freute sich auf seine nächste Reise nach Bali, wo er zusammen mit dem amerikanischen Philosophen Hoyt Edge, mit den Gegebenheiten des Landes und der Kultur seit vielen Jahren intim vertraut (vgl. z.B. Edge 1998), ein kulturvergleichendes DMILS-Forschungsprojekt betreute, zu dem auch bereits eine erste Publikation vorliegt (Edge et al. 2003). Auch um seine Nachfolge auf dem Koestler-Lehrstuhl wolle er sich beizeiten bemühen, und er habe da einige Ideen. Aber dazu, so glaubte er, habe er ja noch drei Jahre Zeit. "Do come to Edinburgh again. And come soon," war das letzte, was Bob bei der Verabschiedung in Wien sagte. Eine Woche später waren wir dort. Zu seiner Beerdigung.
Die Parapsychologie verliert mit Bob Morris einen klugen, ja, ihren bei weitem einflussreichsten Diplomaten; die britische Wissenschaft einen Repräsentanten, dem es gelungen ist, Augen zu öffnen und Bewußtsein für ungewöhnliche Fragestellungen zu schärfen; seine Familie – Bobs Frau Joanna und seinen erwachsenen Zwillingstöchtern Vanessa und Lila gilt unsere besondere Anteilnahme – den Ehemann und den Vater; und wir einen persönlichen Freund und Vertrauten. Vermissen werden Robert Morris alle auf ihre eigene Weise. Geschätzt aber hat ihn jeder für seine Fähigkeit, all die vorstehend geschilderten Eigenschaften und Begabungen in einer Person ganz unaufdringlich zu vereinen. Was er allen bedeutet hat, hat sein Schüler Peter Lamont während der Trauerfeier am 19. August in Edinburgh trefflich formuliert: "Bob made us think, and he made us laugh, often at the same time."
Fußnote
Gerd H. Hövelmann, M.A., war über ein Jahrzehnt wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Universität Marburg und ist seit 1993 selbständig. Dipl.-Psych. Dr. Friederike Schriever war u.a. wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Freien Universität Berlin und an der Universität Gießen. Seit 2002 leitet sie ein privates Lehrinstitut. Korrespondenzanschrift für beide: Hövelmann Communication, Carl-Strehl-Str. 16, D-35039 Marburg, E-Mail: hoevelmann@anomalistik.de.
Bildunterschrift
Robert L. Morris (1942-2004) – eines der letzten Fotos, aufgenommen während eines Empfangs im Wiener Rathaus wenige Tage vor seinem Tod. (Foto: Schriever/Hövelmann)
Literatur
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